Wie erziehe ich Kinder möglichst stereotypenlos? Wie vermeide ich stereotypisches Denken, damit sich Kinder vorurteilslos entwickeln können?

Hi Eva, 

eine super wichtige Frage! 

Stereotype über Erziehung aufzulösen, ist nicht einfach. Bevor die Erwachsene beginnt, Kinder zu erziehen, muss sie sich erst ihrer eigenen Stereotypen oder Vorurteile bewusst werden. Also sie fragt sich: 

  1. Welche Stereotypen/Vorurteile herrschen in der (westlichen) Gesellschaft vor, welche teile ich (auch unbewusst)? In welchen Bereichen finden wir welche Stereotypen – über Nicht-Schweizer:innen, über Behinderte, über Geschlechter? 
  2. Sobald ich Stereotypen erkenne, kann ich mit ihnen spielen. In verschiedenen sozialen Situationen kann ich mir überlegen, wie ich sie nach meiner Vorstellung stereotypfrei gestalten könnte. Dazu nutze ich zunächst einander widersprechende Stereotype. Um ein (selbst schon wieder stereotypes) Beispiel zu nennen, wie Stereotypen neu kombiniert und dadurch aufgelöst werden können: Ich kann als weiblich gelesene Person einen Buzz-Cut, roten Lippenstift, Anzug und Krawatte auf Highheels tragen. 

Sobald ich meine eigenen Stereotype besser kenne, kann ich als Pädagogin beginnen, Kinder weniger zu stereotypisch zu erziehen. Hierzu habe ich fünf Aspekte der Diversitätssensibilität erarbeitet:  

1. Repräsentation: 

Wie kann ich marginalisierte Personen(-gruppen) würdig in meiner Schule/Klasse/meinem Unterricht repräsentieren? 

Transferbeispiele: Ich kann einen diversen Literaturkanon erstellen und Bilder und Texte in Lehrbüchern oder auf Arbeitsblättern anpassen, ergänzen, umschreiben. Generell bietet es sich an, externe Expert:innen für bestimmte, v.a. tabuisierte Themen einzuladen. 

2. Exploration: 

Welche Gelegenheiten kann ich für Kinder und Jugendliche schaffen, damit sie sich bewusst auszuprobieren können? Wie könnten sie aus ihrem gewohnten "Habitus" ausbrechen – ihren Geschlechter-, Aussenseiter- oder Leaderrollen, ihrem Zurückhaltend- oder Dominantsein? 

Transferbeispiele: Ich erarbeite Explorationsgelegenheiten, welche den Schüler:innen erlauben, Historisches oder Aktuelles aus anderen Orten der Welt zu erkunden, welches die vorherrschenden Normen auflöst. In KiTas und in der Primar ermögliche ich Rollenspiele (bspw. durch Verkleidungskiste) und erarbeite mit den Kindern entsprechende Sequenzen. 

3. Reflexion: 

Wie kann ich Gelegenheiten für Kinder und Jugendliche schaffen, damit sie ihre eigene Position in den Blick nehmen? Wie können sie ihre eigene (soziale) Herkunft, Geschlechterrollen reflektieren und auch kritisch Stellung dazu beziehen? 

Transferbeispiele: Hier liegt der Fokus primär auf einer individuellen Auseinandersetzung. Für die Einzelnen kann ich als Lehrperson Reflexionsgelegenheiten anhand eines passenden Themas und auch losgelöst von einem Fach schaffen.

4. Diskurs: 

Wie kann ich Gelegenheiten für Kinder und Jugendliche schaffen, dass sie sich (im Klassenverband) auch zu schwierigen Themen austauschen?

Transferbeispiele: Hier liegt der Fokus auf einer grösseren Gruppe an Kindern. Mit ihnen kann ich an ein passendes Thema und an eine bereits vorbereitete und moderierte Diskussionsrunde anknüpfen oder aber losgelöst vom Fach eine Diskussionsrunde ausarbeiten. 

5. Wissen: 

Wie kann ich meinen eigenen Wissenstand oder den von anderen Lehrer:innen oder Schüler:innen bezüglich unterschiedlicher Machtverhältnisse, Diskriminierungsdimensionen und deren Auswirkung auf Wohlbefinden, Leistungsmotivation und -fähigkeit, letztlich Bildungschancen verbessern?

Transferbeispiele: Ich kann Expert:innen für Intersektionalität oder für eine Diskriminierungsdimension einladen – sei es für das Kollegium, die Fachschaft oder die Klasse. Ich kann Fact Sheets zusammenstellen und für die Klasse erweiterte Aufträge dazu ausarbeiten.

Herzliche Grüsse

Sabrina

Weiterführende Literatur:

Sabrina Lisi. 2023. "Im Zweifelsfall flüssig bleiben". In: Sex Education. geschlechtergerechter.ch.

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