Dominik Furer

Dominik Furer

hat gefragt

Woher kommt der Hass gegen den Islam?

Dominik Furer

Dominik Furer

07.06.2024

Warum richtet sich der Hass gegenüber Religionen hierzulande vor allem gegen den Islam? Historisch gesehen hat das Christentum den Menschen mehr Leid bereitet.

Es gibt verschiedene Formen von Hass gegenüber Religionen. Es ist schwierig zu sagen, ob der Hass sich mehr gegen den Islam als gegen andere Religionen wie etwa das Judentum richtet. Deshalb möchte ich erklären, warum wir in der Schweiz Hass gegenüber dem Islam beobachten.


Zum historischen Teil der Frage möchte ich sagen, dass es Menschen sind, die handeln und Leid verursachen, nicht Religionen an sich: Menschen, die für sich in Anspruch nehmen, im Namen einer Religion zu sprechen oder zu handeln.


Um den Hass gegenüber anderen Menschen zu verstehen, müssen wir uns mit Identität befassen. Für uns Menschen ist es wichtig, uns mit verschiedenen Gruppen zu identifizieren: Dies ist Teil davon, wer wir sind. Wir können uns positiv mit einer Gruppe oder einem Merkmal identifizieren (wer wir sind), aber auch negativ gegen andere Gruppen (wer wir nicht sind).


Essentialisierung.

Für das menschliche Hirn ist eine negative Identifizierung besonders effektiv. Darum finden wir negative Identifizierung in vielen Bereichen, nicht nur der Religion, sondern auch in der Politik ("gegen Nazis", "gegen Kommunismus") oder bei Sportfans.


Es geht darum, dass eine Gruppe von Menschen als "anders" oder "fremd" dargestellt wird. Die Personen werden also so dargestellt, als ob sie wegen ihrer Religion irgendwie sind. Das heisst, eine Eigenschaft wird ihnen wegen der Gruppenzugehörigkeit zugeschrieben. Das nennt man Essentialisierung.


Homogenisierung

Zweitens werden alle "anderen" als gleich dargestellt. Bei "uns" machen wir z.B. Unterschiede zwischen praktizierenden und nicht praktizierenden Christen. Bei "ihnen" sehen wir diese Unterschiede nicht. Dies heisst Homogenisierung.


Dichotomisierung

Drittens wird der Unterschied hervorgehoben: "wir" vs. "sie". Das ist eine Dichotomisierung (es gibt nur zwei Gruppen: "wir" und "sie"). Anders heisst hier auch immer weniger wert: sonderbar, zurückgeblieben, unzivilisiert, usw.


Die Rolle von Bildern

In diesem Prozess werden Bilder gemischt, etwa Medienberichte zu islamistischen Terroristen (weit weg der Schweiz), historische Stereotype, ein Gefühl das Unbekannte nicht zu verstehen, eine Statistik, wie viele Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern in der Schweiz wohnen, oder Bilder von unqualifizierten Immigranten. Solche Bilder können Vorurteile verstärken. Manche Leute mischen Bilder bewusst, etwa politische Parteien, Sensations-Medien und Menschen, die gerne provozieren: Das Mischen von Bildern hilft bei der Identifizierung (gegen andere) und bildet Loyalitäten.


Das Zusammenleben zwischen Christen und Muslimen beinhaltet auch Konflikte, die im Namen der Religion ausgetragen oder in diesem Sinne interpretiert wurden. Dies können historische Ereignisse sein, wie die sogenannte Rückeroberung der iberischen Halbinsel 1492. Es sind aber auch aktuelle Ängste – etwa, auf dem Arbeitsmarkt verdrängt zu werden oder die Sorge um die Werte, nach welchen wir leben wollen. Solche Ängste und Unsicherheiten können zu Ausschluss, Diskriminierung und Hass führen.


Wesentlich sind die Bilder, wie "wir" und "sie" dargestellt werden. Es kommt immer wieder zu solchen Vereinfachungen und Unterscheidungen (auf beiden Seiten). Ich möchte betonen, dass der Hass gegen den Islam bei Weitem nicht bei allen Menschen in der Schweiz zu finden ist. Viele setzen sich für gegenseitigen Respekt ein oder schätzen religiöse Vielfalt.

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