Frage ausführlich

Wie kriminell sind Migranten?

Anonymsierte:r Nutzer:in

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09.02.2024

Liebe Forscher:innen, im Rahmen meiner Maturaarbeit beschäftige ich mich mit Einwanderung. Sind Migranten tatsächlich krimineller als Schweizer und wie bedrohlich sollte man sie einstufen? Wie sollte man handeln?

Antwort ausführlich

Neuere wissenschaftliche Studien stellen in Frage, ob die Kategorie "Ausländer" odre "Migrant" in der Kriminalitätsforschung noch sinnvoll ist.

Guten Tag


Inzwischen haben fast 40 Prozent aller Schweizer:innen einen Migrationshintergrund. Deshalb stellen neuere wissenschaftliche Studien in Frage, wie sinnvoll die Kategorie "Ausländer" in der Kriminalitätsforschung noch ist (Baier 2020). Wer also ist gemeint mit "Migrant" bzw. "Ausländer"? 


Wenn es um Menschen geht, die sich in der Schweiz aufhalten, aber keine hiesige Staatsbürgerschaft haben, dann ist die Kriminalitätsrate deutlich höher als die von Schweizer:innen. Allerdings kann man daraus nicht folgern, dass diese Gruppe krimineller ist. Warum? 


Zunächst müsste man die Gruppe mit einer ähnlichen demografischen Gruppe von Schweizer:innen vergleichen. Unter Migrant:innen sind junge Männer viel häufiger vertreten. Doch auch bei den Schweizer:innen weisen junge Männer die höchste Kriminalitätsrate auf. Vergleicht man also junge Schweizer mit jungen Migranten, dann ist der Unterschied nicht mehr so gross.

 

Wenn man dann noch die ausländische Wohnbevölkerung betrachtet, Menschen also, die nicht nur temporär da sind, dann verringert sich der Unterschied zusätzlich.

 

Weiter muss man unterscheiden zwischen der Anzahl an tatsächlichen Straftaten (Dunkelziffer) und der davon polizeilich erfassten. Auch hier kann man davon ausgehen, dass Migrant:innen im Vergleich zu Schweizer:innen eher polizeilich erfasst werden und daher in der Statistik der erfassten Straftaten überrepräsentiert sind. Wenn man das alles bedenkt, ist der Unterschied zwischen Ausländer:innen und Schweizer:innen nur noch klein. 


Trotzdem gibt es immer noch einen Unterschied. Doch auch hier ist es unzulässig zu verallgemeinern. Die Gruppe "Migranten:innen" ist in vielerlei Hinsicht sehr heterogen, auch in Hinblick auf Straffälligkeit. Zwei Faktoren sind hier relevant. 


Der eine Faktor ist der Aufenthaltsstatus. Vor allem unter Asylbewerbern ist die Kriminalitätsrate vergleichsweise hoch. Das hat, so argumentiert die Forschung, auch mit den kriminogenen Faktoren der speziellen Lebenssituation zu tun: Kollektivunterkünfte, Armut, Stress, Traumatisierung, rechtliche Einschränkungen ... Würden Schweizer:innen in dieser Situation leben, wären sie wohl auch krimineller. 


Der zweite Faktor ist der kulturelle Background. Vereinfacht gesagt: Je stärker dieser maskulinistisch geprägt ist, also mit Bildern von Männerrollen verknüpft ist, zu denen Gewalttätigkeit dazugehört, desto höher die Kriminalitätsrate. Dies gilt allerdings auch für kulturelle Unterschiede innerhalb der Schweizer Bevölkerung. Hier spielt die soziale Schicht eine wichtige Rolle.

 

Kurzum, aufgrund der Überlegungen stellt sich die Frage, ob die Kategorie "Ausländer" oder "Migrant" in der Kriminalitätsforschung überhaupt sinnvoll ist.


Erwähnte Literatur:

Baier, Dirk. 2020. Migration und Kriminalität in der Schweiz : Befunde aus Hell- und Dunkelfeld. Zürich

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